Es kaufte sich eine ältere Frau im Schnellrestaurant einen Teller Suppe. Behutsam trug sie die dampfende Köstlichkeit an einen Stehtisch und hängte ihre Handtasche darunter. Dann ging sie noch einmal zur Theke: den Löffel hatte sie vergessen.
Als sie zum Tisch zurückkehrte, stand dort doch tatsächlich einer jener Afrikaner - schwarz, Kraushaar, bunt wie ein Paradiesvogel - und löffelte die Suppe. Zuerst schaute die Frau ganz verdutzt; dann aber besann sie sich, lächelte ihn an und begann, ihren Löffel zu dem seinen in den Teller zu tauchen. Sie aßen gemeinsam.
Nach der Mahlzeit - unterhalten konnten sie sich kaum - spendierte der junge Mann ihr noch einen Kaffee. Er verabschiedete sich höflich. Als die Frau gehen wollte und unter den Tisch zur Handtasche greifen will, findet sie nichts - alles weg. Also doch ein gemeiner, hinterhältiger Spitzbube. Ich hätte es mir doch gleich denken können - Gemeinheit! Enttäuscht, mit rotem Gesicht schaut sie sich um. Er ist spurlos verschwunden. Aber am Nachbartisch erblickt sie einen Teller Suppe, inzwischen kalt geworden. Darunter hängt ihre Handtasche.
Diese Geschichte löst in mir jedes Mal, wenn ich sie lese, zwei Gefühle aus. Zum einen Zuversicht und zum anderen aber auch Verzweiflung. Die Zuversicht wird bei mir durch die Nächstenliebe und die Freude am Teilen, die der Mann verbreitet, ausgelöst. Ohne sich auch nur mit einem Wort zu beklagen, lässt er die Frau an seinem Essen teilhaben und spendiert ihr dann sogar noch einen Kaffee.
Die Verzweiflung entsteht dadurch, dass die Frau so in ihren eigenen Vorurteilen gefangen ist, dass sie den Mann schon bei ihrem ersten Blick verurteilt hat und nur auf eine Gelegenheit wartet, sich diese bestätigen zu lassen.
Ich glaube, diese Geschichte symbolisiert in wenigen Worten ein riesiges Problem in unserer heutigen Gesellschaft. Obwohl wir oft vorgeben, großzügig, tolerant und weltoffen zu sein, verstecken sich dahinter schnell Neid und Vorurteile.
Die Geschichte hat aber auch eine positive Message, die man sich so auch zu Herzen nehmen kann. Denn die Nächstenliebe, die der Mann ausstrahlt, ist genau das, wie wir als Christ:innen und Menschen miteinander umgehen sollten.
Deshalb sollte jeder von uns immer wieder versuchen, sich selbst zu reflektieren und sich klarzumachen, welche Vorurteile man mit sich herumträgt und in welchen Situationen man diese nach außen trägt. Ich denke, wenn wir uns alle immer wieder bewusst machen, dass wir vor Gott alle gleich sind und es egal ist, welche Hautfarbe man hat, wen man liebt oder wo man herkommt, haben wir einen großen Schritt getan. Denn am Ende sind wir alle eins: Kinder Gottes.